historische Persönlichkeiten

 

Friedrich Wilhelm II.
König von Preussen (1744-1797)

Sein Privatleben und seine Regierung
im Lichte neuerer Forschungen

von

F. R. Paulig

Vierte Auflage

Frankfurt a. Oder
Friedrich Paulig
1904


Kapitel 21. Erwerbung von Anspach und Bayreuth S. 162-165

Nachdem der Kaiser den Kriegszug gegen Frankreich abgelehnt hatte, mußten die deutschen Fürsten die französischen Übergriffe über sich ergehen lassen. Es zeigte sich jetzt wieder die ganze Ohnmacht der deutschen Kleinstaaterei. Es gab zwar noch ein deutsches Reich, einen Reichstag, ein Reichskammergericht, einen Reichshofrath, Reichssteuern und eine Reichsarmee, allein das waren nur morsche Ruinen eines zerfallenen Gebäudes. Viele deutsche Fürsten hatten sich dem Einfluß fremder Mächte hingegeben. Sie hatten keine andere Politik als die, sich durch die Gunst fremder Großmächte zu erhalten und durch sie zu vergrößern. Waren die meisten deutschen Fürsten und die höheren Gesellschaftsklassen tief entartet, so hatten sich doch die vielen Millionen, welche schlecht regiert wurden, den alten Glauben und Fleiß, die alte Tapferkeit und Treue bewahrt. Wo dies nicht der Fall war, trugen die Höfe die schuld. Für die kleinen Höfe und den Adel war Paris die Sonne, nach der alles hinblickte, von der alles Licht und Leben schöpfte. Wenigstens einmal im Leben nach Paris zu reisen, war unerläßlich für die Vornehmen. Aber auch in der Heimat lebten und sprachen die französich. Ungeheuere Summen gingen für Modesachen nach Frankreich. In den Theatern und Battets wurden die schönen Französinnen und Italienerinnen, welche oft die Mätressen der Höflinge waren, deutschen Künstern bevorzugt. Nie war Deutschland so mit fremden Glücksrittern überschwemmt wie damals. Auf deren intime Vertrautheit mit dem Adel blickte der ehrliche deutsche Bauer und Handwerker mit tiefer Verachtung. Um die Mittel für die Schwelgereien aufzubringen, schämten sich einzelne Fürsten sogar nicht des Menschenhandels.

Am 1. März 1776 verkaufte der Landgraf von Hessen=Kassel 12000 Mann „seiner 400.000 lieben Unterthanen“ für den Sündenpreis von 20 Millionen an die Engländer nach Amerika. 1787 verhandelte der Herzog von Württemberg mehrere Regimenter an Holland, die wie Negersklaven nach Afrika übergeführt wurden, um dem Klima zum Opfer zu fallen. Waldeck, Gotha, Hanau, der Bischof von Münster und andere betrieben den Menschenhandel. Friedrich der Große erhob von diesen sein Land durchziehenden Landeskindern eine Steuer wie beim Durchzug von Schlachtvieh.

Friedrich Wilhelm war empört über diese grauenhaften Zustände. Da sein Vetter, der Markgraf von Anspach, diesen Menschenhandel geschäftsmäßig betrieb, so erließ er ein ernstes Abmahungsschreiben an ihn.

Die beiden Länder Bayreuth und Anspach waren durch Aussterben der Bayretuher Linie 1769 an den Markgrafen Alexander, Sohn des wilden Karl, gelangt. Dieser Herr schwärmte für das Theater und schöne Tänzerinnen und gab dafür so große Summen aus, daß die berühmte Pariser Schauspielerin Clairon sich an seinen kleinen Hof fesseln ließ. Ja sie wollte ihn nicht einmal verlassen, denn als die englische Lady Craven, die der Markgraf auf einer Reise kennen gelernt hatte, sich ebenfalls in Anspach einfand, rangen die beiden Damen drei Jahre lang um ihren Herrn, bis die Französin ungeduldig wurde und nach Paris heimzog. Nun behauptete die Craven das Feld und zwar mit solcher Anmaßung, daß sie bei Tafel dem Markgrafen zur rechten Seite saß und dessen Gemahlin, eine Prinzessin von Koburg, zur linken sitzen ließ. Alljährlich mußte der Markgraf mit ihr kostspielige Reisen machen. Um Geld zu bekommen, verkaufte Alexander seinen Unterthanen und ließ sie in Ketten und Banden den Rhein hinabschleppen. Er selbst stellte sich mit geladenem Gewehr am Ufer des Main auf, um die Einschiffung der geknebelten Rekruten zu überwachen. Den Judaslohn, den er für sie erhielt, verpraßte der dann in Paris. Als die Revolution tausenden von Schlemmern den Kopf vor die Füße legte, geriet er in Angst und kehrte nach Anspach zurück.

Wem ein sittliches Gefühl innewohnte, der mußte über diese Versunkenheit der Höfe empört sein und Gottes Gericht erkennen, welches durch die Revolution diese grauenhaften Zustände wie unter vulkanischer Lava begrub. Der Markgraf geriet bald in eine drückende Schuldenlast. In seiner Not wandte er sich an seiner Vetter Friedrich Wilhelm. Dieser schickte ihm Geld und erbot sich, die Verwaltung seines Landes zu übernehmen. Alexander hatte keine Kinder. Nach seinem Tode mußte das Land ohnehin an Preußen fallen. Im Februar 1791 starb seine Gemahlin. Drei Monate darauf ging er mit seiner Geliebten nach Ostende, um dort jeder Regentenpflicht überhoben zu sein. Die Regierung übertrug er seinem Minister von Hardenberg, jedoch mit der Bedingung, daß er dem Könige von Preußen Folge zu leisten habe. Friedrich Wilhelm setzte nun eine preußische Verwaltung ein, und am 2. Dezember 1791 fand die Besitzergreifung statt. Preußen erhielt eine Vergrößerung von 160 Geviertmeilen und 385.000 Einwohnern. Alexander begnügte sich mit einer lebenslänglichen Rente von 400.000 Thalern. Es segelte hierauf nach Lissabon, wo er sich wirklich mit der Lady Craven vermählte. Später wohnte er in England. Hier verstarb er am 5. Januar 1806 kinderlos in einem Alter von 70 Jahren.

Diese friedliche Erwerbung Friedrich Wilhelms wurde auch die Veranlassung, daß der von den früheren Markgrafen gestiftete Rote Adler=Orden erneuert und nächst dem Schwarzen Adler=Orden zum zweiten Ritterorden Preußens erhoben wurde. Viele von denen, welche heut in Ehren den Roten Adler=Orden tragen, wissen nicht, daß diese hohe Auszeichnung Friedrich Wilhelm II. ihre Entstehung verdankt.

Text von Gerhard Schulz-Rothemund (Weidenbach) bereit gestellt.

 

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