historische Persönlichkeiten
 
 

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300 Jahre Leopoldo Rettÿ

Im Jahr 2004 feiern wir den 300. Geburtstag von Leopoldo Rettÿ. Wer war Leopoldo Rettÿ? Leopoldo Rettÿ war der Baumeister des "Wilden Markgrafen" Carl Wilhelm Friedrich von Brandenburg-Ansbach.

Kurz nach den Regierungsantritt des Markgrafen Carl Wilhelm Friedrich tauschte der Fürst seinen Hofbaumeister aus. Carl Friedrich von Zocha wurde zum Minister befördert und machte somit den Weg frei für seinen Nachfolger Leopoldo Rettÿ. Der Grund lag nahe: War Zocha ein Quereinsteiger und unbeschlagen in Baufragen, so war Rettÿ ein Vollblutarchitekt, der sein Fach von der Pike auf gelernt hatte.

Tatsächlich ist über das Leben und Werk Leopoldo Rettÿs bislang nur wenig erforscht. Unbekannt ist bis heute sowohl sein genauer Geburtstag, als auch sein Geburtsort. Ob es nun Laino nahe Como im ehemaligen Herzogtum Mailand als sein Geburtsort seiner Eltern ist oder Wien als Dienstort seinen Onkels und späteren Lehrmeisters ist bis heute strittig. Für Wien spricht allerdings die Namensgebung, heisst doch zu jener Zeit der Kaiser Leopold von Habsburg-Österreich und Rettÿs Onkel, Giuseppe Donato Frisoni, ist dort am Schlossbau beteiligt. Außerdem schreibt sich Rettÿ Zeit seines Lebens mit dem deutschen "ÿ".

Ausbildung in Ludwigsburg

1715 übernimmt Frisoni die Bauleitung am neuen Schlossbau von Ludwigsburg. Mit ihm arbeiten auch Leopoldo Rettÿ zusammen mit seinen Brüdern Riccardo, Livio und Paolo an der Entwicklung von Schloss und Stadt mit. In Ludwigsburg entstehen im Laufe der Zeit eine Anlage mit 452 Räumen in zusammen 18 Gebäuden. In dieser lebendigen, kreativen und bauhandwerklichen Umwelt erlernt Rettÿ schließlich sein Fach und legt somit den Grundstein seiner Karriere.

Nach einer zweijährigen Studienreise durch Italien und Frankreich wird der junge Rettÿ 1726 zum herzoglich-württembergischen Baumeister ernannt. Als Architekt arbeitet er ab sofort als Partner am Ludwigsburger Schlossbau mit.

Zwei Jahre später wird das gesamte Stadtbauwesen der neugegründeten Stadt Ludwigsburg vom Schlossbau getrennt. Und Leiter der neuen Abteilung wird Leopoldo Rettÿ.

Im Jahr 1729 stirbt die Ansbacher Regentin und Markgräfin Christiane Charlotte, eine geborene Prinzessin von Württemberg. Kurz darauf tritt ihr Sohn Carl Wilhelm Friedrich im Alter von erst 17 Jahren an die Regierung des Fürstentums Brandenburg-Ansbach. Er hält Ausschau nach einem fachkundigen und talentierten Architekten mit Berufserfahrung. Fündig wird der junge Markgraf am Hof seines Verwandten Herzog Ludwig Eberhard in Ludwigsburg: Leopoldo Rettÿ.

Rettÿ in Ansbach

Denn in der Markgrafschaft harren zu viele Bauprojekte ihrer Vollendung. Und zu groß ist die Aufgabe für den bisherigen Obristbaumeister Carl Friedrich von Zocha, der zwar theoretische Kenntnisse der damals neuesten Architektur besitzt, aber von praktischer Bauleitung und Baudurchführung nichts versteht. Was Wunder auch, studierte Zocha doch zuerst Rechtswissenschaften und Mathematik bevor er sich der Architektur widmete.

Ab 1731 ist Rettÿ in Ansbach, ein Jahr später ernennt ihn der Markgraf zum Baudirektor. Wichtigste Aufgabe ist die Vollendung der Ansbacher Residenz und anderer unter Zocha begonnener, aber nicht fertig gestellter Vorhaben. Liegen geblieben waren Projekte wie die Orangerie und das Gymnasium in Ansbach sowie das Falkenhaus im Tiergarten Triesdorf.

Auf einer Studienreise lernt der "umsichtige und energische Architekt" (Schumann 1980) unterwegs seine spätere Ehefrau Anna Clara Darni aus Mainz kennen. Am 6. Juli 1733 findet die Hochzeit der beiden statt. Insgesmt elf Kinder gehen aus dieser Verbindung hervor.

Barocke Sommerresidenz oder klassischer Landsitz?

Im Jahr 1734 plant Rettÿ die Umgestaltung des markgräflichen Tiergartens Triesdorf in eine barocke Sommerresidenz absolutistischer Prägung. Ähnlich dem Schloss Karlsruhe sollte hier die Anlage von einem zentralen Schloss beherrscht werden mit Jagdstern im Norden und Gärten mit Wasserspielen im Süden.

Somit sollte Triesdorf tatsächlich als Jagdsitz mit Jagdschloss zu einer Sommerresidenz französischen Vorbilds weiterentwickelt werden. Dazu kommt es aber nicht. Vielmehr wird der Jagdsitz ausgebaut zum einem Landsitz englischer Prägung. Anstatt einem herrschenden Zentralbau mit dienenden Nebenbauten entstehen in diesem fränkischen Ort eine Reihe von im Grunde gleichrangigen Gebäuden. Es siegt also die dezentrale, demokratische Lösung gegenüber der zentralen, absolutistischen.

Dass das englische Thema tatsächlich in Triesdorf und damit in der Markgrafschaft Ansbach aufgegriffen wird, kommt nicht von ungefähr. Hat doch Rettÿ Kontakt zum Baubüro des englischen Königshofs. Denn seit 1727 sitzt eine Ansbacherin auf demThron in London: Königin Caroline, eine Prinzessin aus dem Hause Brandenburg-Ansbach.

Die Wandlung Triesdorf von einer geplanten Sommerresidenz hin zu einem klassischen Landsitz zeigt beispielhaft die Modernität des Leopoldo Rettÿ. Weiter entwickelt sich der Landsitz zu einer Art "Stadt", indem das Nachbardorf Weidenbach baulich in den Landsitz mit einbezogen wird. So entsteht in Weidenbach etwa die markgräfliche Hofkirche. Rettÿ muss somit heute als deutscher Architekt des barock-klassizistischen Übergangsstils erkannt werden.

Neuer Ortsteil entsteht

Wenn wir heute von Weidenbach-Triesdorf sprechen, so ist das wohl auf Retty und seinen Dienstherrn Markgraf Carl Wilhelm zurückzuführen. Denn 1736 baut Rettÿ in Weidenbach die Hofkirche für seinen Landsitz Triesdorf. Bereits ein Jahr später baut Rettÿ für den späteren Obristfalkenmeister Ernst Anton Wilhelm von Heydenab an der Ortsverbindungsstraße Weidenbach-Triesdorf ein Schloss mit Haupthaus, zwei freistehenden Flügeln sowie Vor- und Lustgärten. Um diese Anlage gruppieren sich Brauerei, das Neue Weidenbacher Torhaus mit Gastwirtschaft sowie weitere Gebäude. Es entstand somit ein Ort zwischen den Orten, Weidenbach-Triesdorf eben.

 

Private Bauten

Neben den markgräflichen Bauten und Stadtplanungen in Ansbach, Schwabach, Triesdorf und anderswo übernimmt Rettÿ auch Aufträge privater Bauherren. So tritt neben die Stelle als staatlicher Hofbaumeister auch die Arbeit als freier Architekt. 1733 übernimmt Rettÿ mit Schloss Dennenlohe für Paul Martin Eichler von Auritz sein erstes privates Bauvorhaben. Weitere Bauten entstehen, wie etwa 1736 Schloss Ludwigsruh für Graf Christian Albrecht von Hohenlohe-Langenburg oder das Rote Schloss in Obernzenn. Hier ist der Auftraggeber Johann Wilhelm Gottfried von Seckendorff-Gudent. Auch in Gunzenhausen arbeitet Rettÿ. Hier baut er etwa für den Metzger Johann Michael Herbst ein Wohnhaus (Gerberstraße 3).

Braunstein vor Steingruber

Interessant hier ist, dass Rettÿ bei staatlichen Aufträgen mit seinem späteren Nachfolger in Ansbach, Johann David Steingruber (seit 1734 Landbauinspektor), zusammen arbeitet. Für private Maßnahmen stützt sich der Baumeister lieber auf den Ansbacher Hofmaurer Michael Braunstein als Bauunternehmer.

Später kommt noch Schloss Stutensee nahe Karlsruhe für Markgraf Carl Friedrich von Baden-Durlach hinzu. Auch Kirchen baut Rettÿ als freier Architekt. 1739 plant er die Pfarrkirche in Sommerhausen am Main, 1743 die Synagoge in Ansbach und 1737 die Kirche in Sondernohe nahe Flachslanden. Es bleibt dort allerdings bei den Planungen. Erbaut wird in Sondernohe unter seiner Regie ab 1747 lediglich das dazugehörige Pfarrhaus. Für die Markgräfin Friederike Louise baut Rettÿ bis 1743 die Kirche in Unterschwaningen.

Neue Aufgaben in Stuttgart

Im Jahr 1744 übernimmt Prinz Carl Eugen von Württemberg als Herzog die Regierung in Stuttgart. Für ihn wird deshalb ein neues Schloss gebaut. Als Architekt beruft Carl Eugen den inzwischen in Stuttgart bekannten Leopoldo Rettÿ, der vorerst Hofbaumeister für die Markgrafschaft Brandenburg-Ansbach bleibt.

Am 3. September 1746 kommt es zur feierlichen Grundsteinlegung für das Neue Schloss in Stuttgart. Während Rettÿ für die Planungen zuständig ist, liegt die örtliche Bauleitung bei Johann David Leger. Jedoch funktioniert die Zusammenarbeit der beiden nicht. 1748 wird Leger aus der Bauabteilung entlassen und im selben Jahr siedelt Rettÿ endgültig von Ansbach nach Stuttgart über.

Gerade einmal das Hauptgebäude, sowie der Gartenflügel des Neuen Schlosses in Stuttgart sind im Äußeren fertig gestellt, als Leopoldo Rettÿ am 18. September 1751 im Alter von 47 Jahren in Stuttgart verstirbt, wie es im dortigen Totenbuch heißt. Um den Weiterbau kümmert sich fortan der in Paris ausgebildete Philippe de La Gûepière, den Rettÿ bereits 1750 auf einer Studienreise durch Holland und Frankreich kennen lernte.

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