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Die Hofkirche in Weidenbach

Sämtliche Ansbacher Hofkirchen stammen von Leopoldo Retti. Die Kirchenbauten in Weidenbach (1735-1737), Ansbach, St. Gumbertus (1736-1738) und Unterschwaningen (1738-1741) waren in kurzem Abstand nacheinander entstanden. In die gleiche Zeitspanne fällt auch das nicht ausgeführte Projekt einer neuen Ansbacher Hofkirche aus der Hand Leopoldo Rettis. In Ansbach bestand bis 1729 kein Bedarf für eine neue Hofkirche, da mit der Kapelle im alten Ansbacher Residenzschloss ein Kirchenraum für die höfischen Gottesdienst zur Verfügung stand. Zu größeren Anlässen besuchte der Hof den Gottesdienst in der 1715/16 im Inneren barockisierten St. Johanniskirche. Vom dortigen Fürstenstuhl aus konnte die markgräfliche Familie dem Gottesdienst beiwohnen. Die in das 15. Jahrhundert zurückgehende alte Hofkirche war 1622 erweitert und renoviert worden und wurde 1729 im Zusammenhang des Schlossneubaus abgebrochen. Im gleichen Jahr wurde die Stiftskirche St. Gumbertus zur neuen Hofkirche ernannt. Wahrscheinlich bestanden schon damals Pläne für den großzügigeren Neubau einer eigenen Hofkirche in Verbindung mit dem Residenzschloss und war St. Gumbertus nur als Übergangslösung gedacht. Nachdem jedoch die von Retti ausgeführten Pläne für eine eigenen Hofkirche wohl aus finanziellen Gründen gescheitert waren, wurde die St. Gumbertuskirche mit wesentlich geringerem Finanzaufwand mit Ausnahme des Chores und der Türme neu gebaut. Die Kirche in Weidenbach diente wegen ihrer unmittelbaren Nachbarschaft zum Triesdorfer Schloss als die Hofkirche der Sommerresidenz der Ansbacher Markgrafen. Unterschwaningen dagegen erhielt als Residenz der Markgräfin Friederike Louise ihre Bedeutung. Diese lebte ab 1735/36 getrennt von ihrem Mann im Unterschwaninger Schloss, das zusammen mit der Kirche ihr persönliches Eigentum war. Somit waren die drei ausgeführten Hofkirchen des Ansbacher Markgraftums Kirchenräume, die neben der herrschaftlichen Familie und ihrem Gefolge auch einer Ortsgemeinde dienten und diese mit der Hofgemeinde vereinigten.

Für die Weidenbacher Hofkirche liegen drei Entwurtsvarianten aus dem Umkreis Karl Friedrich von Zochas und von Leopoldo Retti vor: eine konventionelle Langhauslösung ohne Kanzelaltar, eine Langhauslösung mit Kanzelaltar und Orgel auf der Westempore und die spätere Bauausführung mit Kanzelaltar und Orgel in einer Achse.

Beschreibung der Bauausführung: Langhauslösung mit Kanzelaltar und Orgel

Das Schiff der Kirche bildet einen langestreckten Raum, dessen vier Ecken unter einem Winkel von 45 Grad abgeschrägt und dessen bleibende Schmalseiten durch halbkreisförmige Apsiden konkav erweitert sind. Das innere Hautgesims ist über diese Apsiden hinweg konkav nach innen ausgeschweift. Die Längsseiten besitzen je vier Fensterachsen, die beiden Schrägseiten gegen Süden je eine. In der Hauptachse der Kirche nach Süden ist an der Apsis noch ein massiver Turm angehängt, an den in der gleichen Achse noch ein halbkreisförmiger Anbau angefügt ist, der die Treppe zum Turm aufnimmt. Im Turmzimmergeschoss ist die Sakristei eingerichtet.

Der Innenraum wird von den beiden Polen Kanzelaltar und Fürstenstand bestimmt. Das erste, von hohen toskanischen Säulen getragene Emporengeschoss läuft ringsrum und nimmt im Westen den stark nach innen ausgebauchten Fürstenstand auf. An der Ostseite ist die Empore mit ihrer gefelderten Brüstung korbborgig gerundet und wird vom Kanzelaltar getragen. Dadurch ist der Kanzelaltar strukturell durch die Aufnahme und Weitergabe der Emporen mit dem Schiff verbunden. Über dem Kanzelaltar auf der Empore der mächtige Orgelprospekt mit seiner achsial bekrönenden gekrönten Kartusche mit dem brandenburg-ansbachischem Wappen. Das zweite Emporengeschoss zeigt eine geringere Ausladung und begleitet nur die beiden Längsgewände. Da die Fensterachsen aus zwei Reihen von übereinander geordneten Fenstern bestehen, überschneidet die untere Empore keine Lichtquellen. Durch den Kunstgriff Rettis, die obere Empore an den schrägen Wänden des Chores auslaufen zu lassen, scheint sich der Raum hier zu erweitern, obwohl er tatsächlich schmäler als das Schiff ist. Dass die obere Empore die obere Fensterreihe überschneidet, merkt der Eintretende nicht.

Die Hofkirche Weidenbach von innen.


Die Initialen des Markgrafen auf dem Speisegitter ...

und das Wappen des Markgrafen samt Fürstenhut auf der Spitze der Orgel erinnerten den Gottesdienstbesucher ständig an den Landes- und Kirchenherrn Carl Wilhelm Friedrich.

Leopoldo Retti hat im Kircheninneren fast völlig auf die Verwendung schmückenden Beiwerks verzichtet, so dass sich die Raumwirkung „auf den Rhythmus linearer Kurven und auf gute Abmessungen der tektonischen Elemente“ beschränkt. Bei der Gestaltung des Altarbereichs tritt an die Stelle der Dekoration das als künstlerisches Mittel eingesetzte hereinströmende Licht; durch das der Altar gegenüber dem verhältnismäßig dunklen Schiff hervorgehoben wird. Dabei hat Retti die Gestaltung der beiden Geschosse in zweifacher Weise differenziert, indem er unten kleine Rechteckfenster und die dunkle Apsis zur Hinterfangung des Altars sowie oben hohe, innen rundbogige Fenster einsetzt, um die Orgel vom Licht umfluten zu lassen.

Der Kanzelaltar ist in die Ostempore integriert. Seine Kanzeltür ist in die Emporenbrüstung eingesetzt, während der Kanzelkorpus auf die Rückwand des vor der Empore stehenden Ratabels aufgesetzt ist. Auf dem Ratabel mit hoher Rückwand und seitlich Eckpilaster sitzt das große Altarbild in geschweiftem Goldrahmen. Die Vorderbrüstung des Kanzelkorbes, der auf die Altarbildrückwand aufgesetzt ist, schwingt bauchig aus. In Verbindung zu den Pilastern des Altarbildes sind breite Eckpilaster konkav eingeschwungen. Der Schalldeckel der Kanzel auf quadratischer Grundform ist leicht eingeschwungen und mit Eckpilastern geschmückt. Er trägt oben eine große Volutenkrone mit geschnitzer Fürstenkrone, die in einem Knauf mit Kreuz endet. Der Altartisch selbst wird von einem breiten Blockstipes mit gefelderter und marmorierter Brüstungsvorderseite gebildet. Er wird umgeben von einem weit ausschwingenden und rundum geschlossenen Altargitter aus Schnitzwerk, in dessen Füllungen die vergoldeten Monogrammbuchstaben CWF (Carl Wilhelm Friedrich) eingesetzt sind. Das rechteckige Altarbild zeigt die Anbetung der Könige und stammt von einem oberitalienischen Meister und kommt wahrscheinlich aus der markgräflichen Kunstkammer. Mit Ausnahme eines kleinen Predellenreliefs in der Uffenheimer Spitalkirche wird hier in Weidenbach zum einzigen Mal im Ansbacher Markgraftum die Anbetung der Könige Thema eines großformatigen Altarbildes. Motiv und Funktion der Kirche stehen dabei in unmittelbaren Zusammenhang: So, wie damals die Könige den neugeborenen Christus anbeteten, so beten in dieser Kirche auch heute Könige den Auferstandenen an (die markgräfliche Familie wurde im Sprachgebrauch des 18. Jahrhunderts gerne als königlich tituliert). Die Bedeutung der Weidenbacher Kirche wird zudem noch dadurch hervorgehoben,
dass mit diesem Altarbild das einzige Mal im Markgraftum ein auch für seine Zeit künstlerisch wertvolleres Gemälde als sonst in Kirchengebäuden üblich zum Altarbild erhoben wird. Deshalb revidiert Leopoldo Retti wohl auch seinen ersten Entwurf, der nur ein bescheidenes und kleines Gemälde vorsah.

Auch der links neben dem Kanzelaltar vor der letzten Säule stehende Taufstein ist durch Material und Gestaltung besonders herausgehoben. Seine runde Fußschale aus bräunlichem Marmor ist mit einem helmförmigen Deckel geschlossen, der mit vier aus Holz geschnitzten Reliefmedaillons, dem Lamm Gottes, dem Tetragramm, dem Monogramm CWF und dem Wappen des markgräflichen Hofbeamten Voit von Salzburg geschmückt wird.

Die beiden westlichen Emporengeschosse sind als Fürstenstand konvex in den Raum vorgezogen. Das von toskanischen Säulen getragene Untergeschoss ist zwischen Holzlisenen mit Schiebefenster verschließbar und dient als Aufenthaltsort der markgräflichen Familie für den Gottesdienst. Das Obergschoss, das für das Gefolge des Fürsten und die Beamten bestimmt ist, besitzt lediglich einen vergitterten Sichtschutz. Abgeschlossen wird der gesamte Fürstenstand von einem Gitterbandelwerk-Volutenaufsatz mit dem Monogramm des Bauherren CWF (Carl Wilhelm Friedrich). An der oberen Emporenbrüstung ist auch ein hochovales Pastellbildnis Markgraf Alexanders angebracht. Die Treppenaufgänge zum Fürstenstand und zu den Emporen befinden sich in zwei eigenen Treppenhäusern links und rechts des Fürstenstandes im Westen des Kirchenschiffes. Die Kanzel ist über ein eigene Aufgangstreppe hinter dem Altarretabel zu erreichen.
Die Kirche ist von der Straße abgerückt und war ursprünglich durch niedrige Mauern optisch mit dem ebenfalls von Retti erbauten, an der Straße stehenen Schul- und Pfarrhaus links und rechts de Einfangsfassade der Kirche verbunden. Heute ist die Wirkung durch eine Mauer mit drei Toren, die den Platz vor der Kirche abtrennt, beeinträchtigt. Der in schlichtem und einfachem Putzbau gestaltete Außenbau wird durch schwache Pilaster gegliedert, die teils gekuppelt und teils einzeln angewandt weder Kapitelle noch Basen zeigen. Die Fensterbrüstungen sitzen auf einem zarten Gurtgesims auf, das zwischen den gekuppelten Pilastern durchgeführt ist und den ganzen Bau umzieht. Durch den halbkreisförmigen Anbau am Turm, der den Übergang von den Vertikalen des Turmes zur Horizontalen des Erdbodens bewirkt, wird der Turm in das Bauwerk eingebunden. Die Fassade mit dem gestumpften flachen Mittelrisalit ist dreiachsig und entspricht von ihren Proportionen den Forderungen des französischen Architekturtheoretikers Claude Perrault. Über dem Mittelrisalit befindet sich ein Dreiecksgiebel mit einem flachen Steinrelief. Figürlich gestaltete Bauplastik begegnet in diesem Ausmaß an den Kirchenbauten des Markgraftums nur noch in Ansbachs St. Gumbertus. Sie war auch für die dritte Hofkirche in Unterschwaningen vorgesehen, gelangte dort aber nicht zur Ausführung. In der Mitte des Dreiecks ein mit Fürstenhut bekrönter Adler mit ausgebreiteten Flügeln, der in seinen Krallen vor seinem Bauch eine Wappenkartusche mit dem Monogramm CWF (Carl Wilhelm Friedrich) hält. Unter dem Adler hängt an der Wappenkartusche eine Waage und hinter ihr überkreuzt rechts ein Schwert und links ein Stab. Unter der linken Flügelschwinge des Adlers ist ein kleines Auge Gottes in Dreiecksform mit Strahlen zu sehen. Links neben dem Adler ein Tisch mit zwei steinernen Gesetzestafeln und nebeneinander je drei aufgestapelte runde Brote, dahinter Blattwerk. Ein gleicher Tisch auch rechts des Adlers. Auf diesem ein mit sieben Siegeln verschlossenes Buch, ein Kelch mit Hostie im Strahlenkranz, Ähren, ein Kreuz und Weinreben. Die beiden Tische werden links und rechts gerahmt von links einem geflügelten Engelsköpfchen auf Wolken und rechts geflügelten Engelsköpfchen, ebenfalls auf Wolken.

Die in der Literatur versuchte sakramentale Interpretation (Scholl) oder die Deutung auf die beiden Testamente (Ramisch) erfasst nur einen Teil des Dargestellten und nicht den gesamten Sinnzusammenhang. Vielmehr handelt es sich um eine allegorische Darstellung der Zwei-Reiche-Lehre und der damit verbundenen Schutzfunktion des Hauses Brandenburg über das leibliche und geistliche Wohl seiner Untertanen. Die Flügel des brandenburgischen Adlers breiten sich schützend über die beiden Tische. Zu Füßen des Adlers symbolisieren das Schwert, die Waage und der Stab die Ausübung des Richteramtes mit weltlicher Gewalt (Schwert und Waage) sowie die Leitung der Kirche (Stab). Die beiden Tische stehen für das Gesetz und das Evangelium, den beiden Polen, zwischen denen das Amt der geistlichen und weltlichen Gewalt ausgeübt wird, beschirmt durch das Hans Brandenburg. Den Puttenköpfchen kommt lediglich dekorative Bedeutung zu.


Der auf mannigfaltige Weiden in Weidenbach gestaltete Zusammenhang zwischen Gottesdienstraum und Herrscherhaus wurde bisher zu wenig beachtet. In keiner anderen Kirche des Markgraftums tritt das Monogramm Markgraf Carl Wilhelm Friedrichs so häufig auf wie in Weidenbach: am Speisegitter, am Taufstein, am Fürstenstand, am Giebelrelief der Fassade und sogar auf der Wetterfahne des Turms. Hinzu tritt Markgraf Alexanders Pastellportrait an der Brüstung des Fürstenstandes. Wesentlich deutlicher als in Ansbachs St. Gumbertus wird die Weidenbacher Kirche durch die Gegenwart des Landesfürsten, bei seiner Abwesenheit vertreten durch Monogramm und Bildnis, gefüllt. Auch das große Altarbild mach die zum Gottesdienst versammelte Ortsgemeinde auf den eigentlichen Zweck dieses Kirchenraumes aufmerksam: Der Anbetung des auferstandenen Christus durch die königliche Familie.

Klaus Raschzok


Quelle:
Klaus Raschzok, Lutherischer Kirchenbau und Kirchenraum im Zeitalter des Absolutismus. Dargestellt am Beispiel des Markgraftums Brandenburg-Ansbach 1672-1791; Peter Lang: Frankfurt am Main 1988

 
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